3 Mal kurz gelacht
Anekdoten aus 36 Jahren Theater ImPuls
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Die Zusammenstellung kurioser Geschichten aus dem Wirken von Theater ImPuls passierte aus dem Gedächtnis unseres Gründungsmitglieds Albrecht Gottschall, der auf die Namen der Beteiligten wohlwollend verzichtet. Alle Begebenheiten hat Albrecht selbst erlebt. Wichtig ist das Kuriosum an sich und nicht ein Eintrag in die Geschichtsbücher!
1989 Das Pflichtmandat John Mortimer
2 Personen Stück ganz zu Beginn der ImPuls-Karriere. Wir hatten keine Regie, die folgenden Lapsus allerdings auch nicht verhindern hätte können. Das Stück ist bereits weit über der Hälfte der Zeit, da merke ich, dass irgendwas nicht stimmt. Die Souffleuse vor der Bühne strampelt sich sowas von ab – es sind 8 Seiten ! 8 Seiten springt mein Spielpartner im Text nach vorne….und, er merkt es nicht. Er fragt mich sogar per improvisiertem Text, was mit mir los sei, so kenne er mich gar nicht. Erst mit der Textzeile „Und wer hätte dann die Vögel gefüttert?“ bringe ich ihn zurück. Ich und wahrscheinlich der ganze Saal spüren sein Déjà-vu.
1991 Das Double Erns-Jürgen Dreyer
Spannender Polit-Einakter, der jäh mittig abzubrechen droht. Ich erleide plötzlich einen katastrophalen Hexenschuss und wer dieses teuflische
Gefühl kennt, weiß wovon ich rede. Wir spielen dennoch weiter und bringen das Teil zu Ende. Allerdings , ich spiele nach verschlüsselter Ansage für meine Partnerin nur noch sitzend weiter. Das war ein wahrhaft künstlerischer Akt, meine Partnerin musste massiv improvisieren, ich „durfte“ sitzen. Was toll war: Kaum jemand im Publikum hat meine Malaise gespürt, alle dachten das gehöre so. Prima.
1992 Der Hausmeister Harold Pinter
Die Hauptrolle , der Hausmeister, war sooo textsicher, dass ich , der ich den Job als Souffleur innehabe, praktisch ununterbrochen soufflieren muss. Nach dem über 3stündigen Stück kommt ein Freund aus dem Publikum auf mich zu mit der Frage :“ Warst Du das Stück oder wie ?“ Ziemlich peinlich…..
Bei einem Auftritt mit dem Stück in Stuttgart (open air) hat unsere weibliche Darstellerin „enge“ Kontakte zu einem Obdachlosen geknüpft und mit ihm so manches Fläschchen geleert. Das passiert alles unmittelbar VOR unserem Auftritt – mit großer Mühe schaffen wir es, die Schauspielerin von der Person loszueisen , ihr Kaffee en masse einzuflößen und sie auftrittsfähig zumachen. Die Aufführung verlief dann unerwartet gut.
1995 Murder by Sex Joan Shirley
Ganz ähnliches Szenario wie oben. Wir spielen in einer wunderschönen Location in Frankenthal, haben ein fast ausverkauftes Haus vor uns und können uns überhaupt nicht erklären, wie Folgendes passieren kann. Wir sind ziemlich am Anfang des Stücks, als ein Schauspieler seinen Auftritt hat, der aber einfach nicht kommt. Die beiden auf der Bühne befindlichen Protagonisten warten zunächst, als sie merken, da kommt nichts, gehen sie in eine „wilde“ aber sehenswerte Improvisation über. In der Zwischenzeit bricht backstage die Panik aus. Überall wird der Schauspieler gesucht – dass dieser eine seelenruhige Dusche nimmt, darauf kommt zunächst niemand. „Ich dachte ich hätte noch Zeit für eine Dusche“ . Teilweise noch nass, ungeföhnt und schlampig ins Kostüm gezwängt, betritt er nach 10 Minuten (!!) die Bühne.
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1997 Funny Money Ray Cooney
Lustiges, rasantes Stück , das dann am Ende eher unfreiwillig eine verrückte Steigerung erfährt. Es ist die Schlussszene und der Kommissar, der alles aufklären sollte... kommt nicht. Die regulären Texte waren gesprochen, zum Teil werden diese wiederholt zum Teil werden völlig neue Texte laut improvisiert…. nichts passiert. Es macht sich Ratlosigkeit breit , bis ein zweiter Kommissar entschlossen durch die Tür die Bühne verlässt. Während auf der Bühne weiter wild drauflos improvisiert wird trifft Kommissar 2, den anderen Kommissar schlafend (!!) im Backstage Bereich, obwohl dort ein kleiner Monitor mit der Übertragung von der Bühne läuft. Der Auftritt des „schlafenden“ Kommissars wird wie ein Tor beim Fußball gefeiert.
1998 Plötzlich und Unerwartet Francis Durbridge
Dies ist mit Sicherheit die traurigste , aber eben auch eine unbedingt erwähnenswerte Anekdote von Theater ImPuls. Wir spielen das Stück im Hochsommer bei tropischen 34C im heutigen Bachsaal der Johannisgemeinde auf dem Lindenhof. Zu der fast nicht auszuhaltenden Hitze im Saal kommt der riesige Publikumszuspruch von 134 Zuschauern , über den wir uns normalerweise sehr freuen, der aber an jenem Tag die Schwüle des Raums noch steigert. Bis zur Pause, die wir alle dringend benötigt haben, lief alles glatt. Es soll jedoch nichts Gutes folgen. Ca. Mitte des 2.Akts bricht eine Schauspielerin völlig unvermittelt auf den harten Boden der Bühne zusammen. Publikum und Ensemble erstarren zunächst. Zum Glück haben wir einen ausgebildeten Sanitäter als Mitspieler dabei, der nach kurzer Zeit die Besucher bittet nach Hause zu gehen. Auch die aktiven Schauspieler sind nicht in der Lage, das Stück nochmal aufzunehmen. Die betroffene Schauspielerin kann selbständig zum Krankenwagen gehen. Allerdings, ein ca. halbes Jahr später stirbt sie an Herzversagen.
2002 Die Spielverderber Michael Ende
Jeder Schauspieler liebt es, wenn wichtige Utensilien oder Requisiten die zum Spiel fast unerlässlich sind irgendwie einfach nicht da sind. Einzelne zu Hause vergessene Dinge sind vielleicht noch aufzutreiben oder zu ersetzen. Wenn aber gleich das komplette Bühnenbild nebst Großrequisiten nicht vorhanden ist, wird die Sache mehr als kompliziert. So geschehen bei einem geplanten Auftritt in Weinheim, als unser Logistiker einfach …. nicht kommt zur vereinbarten Zeit, 1 Stunde, 2 Stunden und auch 3 Stunden verstreichen, wir kriegen ihn einfach nicht. Wir laden kleine Dinge in unsere Privatautos und beschließen ohne Wände zu spielen. Der Faktor Zeit brennt uns auf den Nägeln, das ist wahrhaft keine gute Vorbereitung auf den bald anstehenden Auftritt. Was uns schließlich gut in die Karten läuft: Der Auftritt findet mangels Besucherandrang nicht statt UND unser geneigter Logistiker meldet sich
am frühen Abend, wir möchten ihn entschuldigen, er habe den gesamten Nachmittag geschlafen.
2004 Hannah und Maude John F. Noonan
Das nette 2-Personenstück spielen wir unter anderem auch in Neunkirchen, dem Ort in dem wir jahrzehntelang unsere Probewochenenden abhalten. In einer geräumigen Turnhalle kündigt uns der Gemeindevorsteher (?) mit den Worten „und nun viel Spaß mit Hannah und MAUDE „ das für uns komische und massive Lacher erzeugende ist seine Aussprache des Wortes Maude, nämlich so wie es geschrieben wird und nicht „Mod“, ebenso dieAussprache des Autors „Noonan“, statt „Nunen“
2009 Betrogen Harold Pinter
Wir führen, aus meiner Sicht viel zu selten , 2 Stücke insgesamt in unserem zum schmucken Zimmertheater umgestalteten Proberaum auf dem Lindenhof auf – so auch das Kammerstück „Betrogen“ von Harold Pinter. Es läuft alles wie am Schnürchen, das Publikum geht spürbar mit und es macht Spaß zuzuschauen. Und dann passiert`s aus heiterem Himmel: Ein kurzer Knall …. und alles ist Schwarz, tiefschwarz. Als erster behält unser Techniker die Ruhe und macht sich mit einer kleinen Taschenlampe auf die Suche nach der Ursache des Problems. Nach mindestens 10 Minuten vergeblicher Nachforschungen von mittlerweile vielen Möchte-gern-Elektrikern geben wir für den Moment auf und spielen das Stück im Saallicht (grelle Neonröhren) zu Ende. Obwohl nicht der Hauch einer Kritik von jenseits der Bühne kommt ist es für die 4 spielenden ImPulser ein furchtbarer Schluss.
2012 Die Ziege oder wer ist Silvia Edward Albee
Das ist für mich persönlich die mit Abstand schönste „Anekdote“, die eigentlich gar keine ist und doch in die Rubrik „Wahnsinn des Jahres“
fällt. Mit dieser wunderschönen Inszenierung der Ziege bewerben wir uns beim Amateurtheaterfestival des Rhein-Pfalz-Kreises und rechnen eigentlich mit gar nichts. Und dann wird`s verrückt: Wir werden von einer Jury zum Gewinner des SCHAPPO gekürt und, nicht nur das, auch das bei der Aufführung in Maxdorf anwesende Publikum kürt uns auch noch mit dem Publikumspreis. WoW, Theater ImPuls mit einer ersten sichtbaren Auszeichnung und dazu noch etwas Bares für die Kasse. Eine Anekdote dieser Art lassen wir uns gefallen.
2013 Wer Farbe sät wird Buntes ernten Eigenproduktion
Wir sind von Kopf bis Fuß auf eine Open Air Aufführung eingestellt, die Generalprobe am Tag zuvor war recht gut und wir haben uns nicht vorstellen können, was gegen ein Freiluftspektakel im lauen Sommerwind spricht. Und dann kommt der Aufführungstag und schon bei der Anreise sehen alle eine schwarze Rauchwolke, ausgehend von Ludwigshafen, die sich den Weg über den Rhein bahnt und sich dabei entsprechend verbreitert. Und dieser Weg führt dummerweise direkt über unsere Bühne im Freien. Dumm gelaufen. Um kein Risiko einzugehen, verlegen wir Bühne und Zuschauerraum komplett in einen Saal, das Ganze muss dann zur Sicherheit etwas später beginnen.
2016 Sanft.Mut Eigenproduktion
Herrlich , wie verrückt Theater sein kann und wie schnell ein bloßes Theaterspiel zu einem nahezu kriminellen Ereignis werden kann. Wir spielen auf der Terrasse eines Mehrgenerationenhauses in Bad Dürkheim, und bekommen als Akteure nicht mit, dass im Haus selbst zwei Polizisten mit der Hausleitung im ernsten Gespräch sind. Auslöser des Besuchs der Ordnungshüter ist ein Anruf aus der Nachbarschaft sie hätten Schreie aus dem Haus gehört und machen sich Sorgen, dass da etwas Schlimmes passiert sein könnte. Als der Auftritt beendet ist, erfahren wir erst einmal, was da abseits der Bühne abgelaufen ist. Und – es gibt innerhalb der Szenen tatsächlich einen lauten (Frauen)Schrei………
2020 bzw.2024 Der Gott des Gemetzels Jasmina Reza
Die Anekdote zu diesem Meisterwerk von Jasmina Reza lässt sich nicht im Spiel auf der Bühne oder in irgendwelchen fehlenden Requisiten finden, nein, die Inszenierung und die Entwicklung ist hier die bemerkenswerte Anekdote. Beginnen wir im Spätsommer 2019, als 4 spielwütige ImPulserInnen beginnen sich mit dem Stück näher zu befassen. Die Proben verlaufen konzentriert und schon im Januar beschließen wir , die Premiere auf Anfang April 2020 festzulegen. Alles ist bereitet, wir haben neben der Premiere sogar noch NEUN weitere Auftritte bis zum Sommer vereinbart . AAABER, dann kommt CORONA und alles bricht zusammen, unsere Spiellust, die Gastspielstätten und zumindest vorläufig auch unser tolles Ensemble. Alle , die mit dem Stück
verbandelt sind, wollen weitermachen – was sich nach der Pandemie als äußerst schwierig gestaltet. Das Ensemble wird von Krankheiten gebeutelt und eine Schwangerschaft „kommt dazwischen“. Ende 2023 müssen wir eine Umbesetzung vornehmen, aber, die Proben können wieder beginnen
Ein Stück, das sich genau genommen über 5 Jahre hinzieht… das habe ich noch nie erlebt – wobei, wir sind sicher nicht die einzigen Kulturschaffenden, die derartige Erfahrungen gemacht haben.
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